MARCO GASTINI
ANTHOLOGIE
Marco Gastini wurde am 30. Januar I938 in Turin geboren.
Seine erste Ausstellung geht auf das Jahr 1958 zurück, als er anläßlich des Premio San Fedele in Mailand Paesaggio ausstellte, ein der informellen Richtung angehörendes Bild, dessen Mischung zarter Farben mit gestischem, pastosem Pinselstrich aufgetragen ist. 1960 erwirbt Gastini das Diplom der Akademie der Schönen Künste in Turin und gewinnt im selben Jahr den Preis für Junge Künstler der Stadt Turin mit dem Gemälde Colazione sulla spiaggia.
Seine ersce Einzelausstellung findet im Jahr 1964 in der Galerie Il Faló in Alba statt. In deren Katalog erscheint der erste Text von Paolo Fossati, der ein gewissenhafter und konstanter Exeget der Arbeiten des Künstlers bleiben wird.
Im Laufe der drei folgenden Jahre (1965-1967) schafft Gastini eine Reihe von Bildern in Öl und Lackspray, auf denen Bruchstücke von Landschaften und Ausschnitte nackter weiblicher Körper auf dem weißen Grund der Leinwand hin und her wogen. Am Ende dieser Phase der Experimente und am Endpunkt eines Prozesses der Synthese erscheint das Gemälde Il peso della pelle (1967), das zuerst in einer Einzelausstellung in der Galerie Il Girasole in Rom gezeigt wird (De
von Daniela Lancioni zember 1967, Katalog mit einem Text von Enrico Crispolti), dann in der Einzelausstellung in der Galerie Pozzi Arte contemporanea in Novara (Januar 1968 mit einem Katalog mit Text von Paolo Fossati). Jegliches figurative Uberbleibsel ist hier verschwunden. Die in wechselnder Dichte oder Transparenz aufgesprühten hellen Farben Weiß, Grau, Himmelblau und Rosa werden zu einem vorwiegend durch geometrische Umrisse gehaltenen Geflecht verwoben, das sich von dem weißen Feld der Leinwand scharf abhebt. Fossati beschreibt die Bilder als »Hautfetzen (...) fließendes Eindringen, venös und markant«. In diesen Werken gestaltet sich die Dialektik zwíschen der Malerei und ihrem Träger, die in Gastinis Arbeiten konstant bleiben wird. Der Bildträger ist dazu bestimmt, den Eindruck eines virtuellen Raumes zu erzeugen, der vom Künstler geschaffen wird und sich vom realen Raum
unterscheidet.
In Goccia von 1968 verwendet Gastini erstmals einen transparenten Träger. Es handelt sich um ein weiteres der in der Galerie II Punto ausgestellten Bilder und besteht aus einer Plexiglasscheibe, die senkrecht auf einem Sockel befestigt und beidseitig mit Lackspray besprüht ist. Auch in den unmittelbar folgenden Werken bleibt die Wahl des cransparenten Trägers konstant. Im
Januar 1969 experimentiert Gastini in der Galerie Piatelli, Rom (Katalog mit einem Text von Enrico Crispolti) mit der Möglichkeit, die Malerei zu materialisieren, indem er sie auf den dreidimensionalen Raum ausdehnt. 12 aprile ist eine aus zwölf transparenten Plexiglas-Stäben bestehende Arbeit, die mit Lackspray bemalt und mit Nylonfäden an der Decke aufgehängt sind. Senza titolo besteht aus auf einem Holzsockel errichteten Platten, die mit pittura floccata bearbeitet sind. Diese Technik, die der Künstler abwechselnd mit dem Lackspray verwendet, besteht darin, daß man eine "Stock6óer" genannte Substanz, die die Konsistenz von Samt hat, aufsprühc. Der Plan, eine Malerei zu schaffen, die man durchqueren kann, wird anläßlich der Ausstellung im Salone Annunciata von Carlo Grossetti in Mailand im Februar
1969 realisiert. Die Installation ist als ein weitläufiger Durchgang durch die Malerei konzipiert: Zarte Farben, Grau- und Weißtöne, Lackspray und Stockfiber auf Scheiben aus Plexiglas (transparenter, steifer Kunststoff), aus Acryl (transparenter llexibler
KunststoE oder aus Uedryl (steifer oder flexibler Kunststoff, der eine Wirkung matter Transparenz erzeugt). Der Raum wird durch die Präsenz verschiedener Elemente gegliedert: Scheiben von zweiseitig mit pittura floccata bearbeitetem Uedrylhängen von der Decke herab, Acrylscheiben mit einem zarten Streifen Malerei in der Mitte krümmen sich zwischen Decke und Fußboden, Stäbe aus bemaltem Plexiglas durchqueren den Raum diagonal, ein Holzband läuft horizontal an der Wand entlang. Die Malerei durchdringt auch die Außenfassade des Gebäudes, an der einige mit Lackspray bemalte Metallstäbe aufgehängt sind. In einer Gemeinschaftsausstellung, die im Sommer 1970 in der Galerie Salone Annunciata von
Carlo Grossetti in Mailand ausgerichtet wird, zeigt Gastini 65 macchie: 65 Elemente, vom Künstler zunächst in Gips modelliert und dann aus einer Mischung von Blei und Antimon im Formkasten gegossen, werden an zwei aneinanderstoßenden Wänden der Galerie verteilt. Auf Einladung von Paolo Fossati stellt Gastini die Arbeit in der Ausstellung Arte e Critica 70, die am 14. November 1970 in der Galerie der Sala di Cultura in Modena eröffnec wird, noch einmal vor (Katalog mit einem Text von Paolo Fossati über Gastini). In diesem neuen Zyklus von Arbeiten wird der Träger gänzlich eliminiert und durch die Wand ersetzt. So wird man des Vorhandenseins eines Feldes gewahr, des eigentlichen Handlungsortes der Malerei. Er wird durch Präsenz der Flecken und den zwischen ihnen liegenden Raum generiert.
Am 25. November desselben Jahres stellt Gastini Senza titolo in einer Einzelausstellung in der Galerie GAP Studio zeitgenössischer Kunst in Rom aus: Klumpen aus Blei und Antimon an der Wand und eine Reihe von Werken auf durchsichtigem Plexiglas, alle aus dem Jahr
1970 stammend und mit einer Farbe mit hohem Metallanteil gemalt: Macchia, Grande macchia, 4 quadri, A terra. Eine Besonderheit dieser Arbeiten besteht in ihrer Aufstellung: Zwischen den Scheiben und der Wand bleibt immer ein gutes Stück Raum als Hinweis auf ein anderswo, als Übergriffder Malerei auf die dritte Dimension, Kom
lexicät des Bildes. Diese erhält man, indem man zur gemalten Materie den Schatten, den diese an die Wand wirft, hinzuzählt.
Das gleiche trifft auf die im Januar 1971 in der Galerie il Pozzo in Turin ausgestellten Arbeiten
zu. Es handelt sich un zwei Versionen des Macchia
betitelten Werkes von 1970, bei denen eine bemalte Oberfläche aus Polyäthylen auf einen von der Wand vorspringenden Aluminiumrahmen gezogen ist.
In der Einzelausscellung in der Galerie Salone Annunciata von Carlo Grossetti in Mailand im Februar 1971 zeigt Gastini unter anderem die Arbeicen Mq 32,452 di pittura, bestehend aus Schmelzlegierungen von Blei und Antimon an einer Wand, und Neon, eine Neonröhre, an der eine aus hochprozentiger Metallfarbe gezogene Linie entlang läuft. Anläßlich dieser Ausstellung erscheint das Buch (in) spazio 1970-1971, in dem der Künstler zusammen mit einigen Arbeiten und Projekten einen seiner erläuternden Texte veröf fentlicht: »Mich interessiert es zu malen: Meine Flecken sind Malerei, aber nicht als Empfindsamkeit: Sie sind Gewicht, ein physisches Faktum, das Gewicht einer Geste, die höchste Konzentration erfordert. Für mich bleibt eine malerische Aufgabe - in ihrer Essenz. Ich möchte, daß der Betrachter sie dynamisch annimmt, als Energie, als eine Aktion (...) Ich ordne die Flecken auf einer durchsichtigen Oberfläche an oder auf einer Wand. Mich interessierc nicht der Raum, in dem man sich bewegt, sondern die Aktion, ein für sich stehender Raum, ein Raum der Uerdichtung, den.man körperlich fühlen kann (...).
«Über die bemalten Plexigläser schreibt er:» Es gibt hier einen Raum aus der Perspektive des Betrachters, und es gibt dahinter noch einen anderen Raum (...) Sich auf den Fleck zu konzentrieren bedeutet gleichzeitig, um den Fleck herum einen Raum heranzuziehen, der weiter ist als der Raum, der uns umgibt, einen physischen plus einen mentalen Raum.« Unter den im Buch veröffentlichten Projekten befinden sich zwei auf kariercem Papier ausgeführte. Sie stellen die Einleitung zu einer neuen Reihe von Arbeiten dar, die mit Disegno von 1971 eröffnet wird: Ein direkt auf der Wand ausgeführter Riß aus vertikalen und horizontalen Linien, in deren Zentrum kurze lineare Zeichen verstreut sind, die mit schwarzem Kohlestift und rotem Pastell ausgeführt werden. Weitere Zeichen sind auf einer an die Mauer gelehnten Plexiglasscheibe abgelegt, ein Element, das es dem zweidimensionalen Gemälde erlaubt, in die dritte Dimension einzutreten. In diesem wie in den folgenden Werken erhält man den Riß immer durch den Kontakt von gespannten, in Zementstaub getränkten Seilen. Disegno wird erstmals im September
197I in der Gemeinschaftsausstellung Läzione concreta in der Villa Olmo in Como ausgestellt. Die Ausstellung entstand aus dem gemeinsamen Nachdenken der
Künstler Marco Gastini, Giorgio Griffa, Maurizio Nannucci, Claudio Parmiggiani und des Kritikers Paolo Fossati über den Wert der Malerei.
In einer gemeinsam mit Giorgio Griffa im März 1972 in der Galerie Flori in Florenz ausgerichteten Ausstellung stellt Gastini Disegno 7 + 7 und Lavoro vor. In diesem letzten Werk sind Teile einer mit rotem Pascell gefärbten Mauer entlang einer Wand ohne Riß aufgestellt. Diese Arbeit wird im folgenden in der Serie von Arbeiten mit gerítztem Plexiglas weiterentwickelt, in denen die geritzten Teile der Oberfläche das malerische Bild kreieren. So zum Beispiel in Due, das in der Einzelausstellung im Salone Annunciata von Carlo Grossetti im Oktober 1972 in Maíland ausgestellt wird. Aus demselben Anlaß verwirklicht Gastini Progetto per parete, in dem er ein neues Material, Durcot auf Plexiglas, verwendet und 18 x 18/3 rossi + 1, das auf der Rückwand der Galerie ausgeführt wird.
Darüber hinaus stellt er das Buch Progetto 1971 vor, das er in 5 Exemplaren in Handarbeit herstellt.
Im Januar 1973 stellt er in der Galerie Prímo Piano in Rom (Faltblatt mit einem Text von Paolo Fossati) die erste einer neuen Reihe von Arbeiten vor. Das Werk Senza títalo stammt von den vorangegangenen Rissen ab und entsteht durch einen Reduktionsprozeß. Es handelc sich um zwei übereinander gelagerte Risse, die nur durch die Schnittpunkte der horizontalen und vertikalen Linien angezeigt werden. Die Punkte, die Gastini durch Fingerdruck in die Wand einpreßt, haben zwei verschiedene Größen, damit die beiden Risse unterschieden werden können.
Zu Beginn des Jahres 1974 stellt Gastini in den Einzelausstellungen in der Galerie Il Banco di Brescia und der Galerie M in Bochum einige Arbeiten mit Punkten auf Leinwand vor, deren Maße der Weite des Gesichtsfelds eínes erwachsenen Menschen entsprechen. Auf diesen Bildern wie auf den unmittelbar folgenden bleibt ein Screifen der groben Leinwand entlang der Ränder unbedeckt und fungiert so als Trennwand zwischen dem realen und dem durch den Künstler geschaffenen Raum.
Im Oktober 1974 stellt Gastini in einer Einzelausstellung in der Galerie Claudio Bottello Arte in Turin zusammen mít den Punktbildern andere Leinwände aus, auf denen Abschnitce horizontaler Linien und Parallelen auftauchen, die Fragmente der vorangegangenen Risse darstellen (Katalog mit einem Gespräch zwischen Paolo Fossati und Marco
Gastini).
Wegen der radikalen Wahl seiner Ausdrucksmitcel und wegen seiner in einigen Werken angewendeten Entwurfsmethode wird Gastini zur Teilnahme an vielen der großen internationalen Ausstellungen gerufen, die der sogenannten Pittura-pittura oder der analytischen Malerei gewidmet sind:
La riflessione sulla pittura, Palazzo Comunale von Arcireale (Katalog mit Texten von Filiberto Menna, Ioralo Mussa und Tommaso Trini) September-Oktober 1973;
Geplante Malerei, Westfälischer Kunstverein, Kutator Klaus Honnef (Katalog mit Texten des Kurators) März-April 1974, Wiederaufnahme der Ausstellung in der Galerie Milione, Mailand, November 1974 - Januar 1975; I colori della pittura im Istituto Italo Latino Americano in Rom, Kurator Italo Mussa (Katalog mit Texten des Kurators) Juli-September 1976. Aber die Präsenz Gastinis ist »schwer zuzuordnen«, wie Paolo Fossati in der ersten dem Künstler gewidmeten Monographie, die 1976 durch die Galerie Christian Stein in Turin veröffentlicht wird, erläutert. Im März 1975 stellt Gastini anläßlich der Einzelausstellung in der Cirrus Gallery in Los Angeles das Werk Muro vor, Segmente von horizontalen Linien, die auf einem mit Perlweiß bemalten Mauerstück gezogen sind, einem Farbpigment,
das von nun an zum malerischen Ausdrucksschatz Gastinis gehören wird. Im Januar 1976 zeigt er in der Einzelausstellung in der Galerie Primo Piano in Rom Due carte (1975-1976), bestehend aus zwei Blättern Reispapier, die ohne Rahmen an der Wand befestigt sind, die wiederum fast vollständig mit Perlweiß bemalt ist. Auf dieser perlmuttfarbenen Oberfläche, die gewählt wurde, um den Eindruck eines lichten, luftigen Raumes zu schaF fen, wogt ein Gewebe kurzer, leichter, schräger Zeichen, während wenige markante Linien, die durch die unvorhersehbaren Schwankungen der Handzeichnung gekennzeichnet sind, von unten nach oben verlaufen.
Gleichzeitig mit der oben genannten Ausstellung eröfinet die Einzelausstellung in der Galerie Gian Enzo Sperone in Rom, wo Gastini eine Reihe von zwischen 1969 und 1976 entstandenen Atbeiten zeigt. Aus diesem Anlaß ordnet er an einer Wand einige kleinformatige Werke an und gibt dieser Anordnung einen Gesamtnamen: Lavori 1967/71. Gleich darauf erscheinen die Arbeiten, die aus einem gleichsam orchestralen Miteinander von eigenständigen Einheiten bestehen. Dies ist der Fall bei denjenigen Werken, die auf der XJDCVII Biennale Internationaler Kunst in Venedig I976 in der Sektion Attualitk Internazionali gezeigt werden: 30 lavori in uno und
Uno con sedici, beide aus mehreren an der Wand angebrachten Blättern bestehend, von denen jedes von unregelmäßigen Rissen aus Graphit, Kohlestift und rotem Buntstift auf teilweise perlweißem Grund überzogen ist. Die Arbeit erreicht größere Komplexität mit dem Werk Project (44 units), das in der ersten einer langen Reihe von Einzelausstellungen in der Galerie John Weber, New York, 1977 gezeigt wird. Es besteht aus 44 Leinwänden in 14 verschiedenen Größen, jede mit Perlweiß bemalt und mit Kohlestift-Zeichnungen versehen. Das Werk ist als »work in progress« angelegt: Tatsächlich hat der Künstler io verschiedene Möglichkeiten vorgesehen, die Leinwände an der Wand anzuordnen, und er dokumentiert jede dieser Möglichkeiten in jeweils einem der zehn anläßlich der Ausstellung per Hand angefertigten Bücher, die den Titel New York Project l ten Possibilities tragen.
Das Jahr 1978 stellt eine Art Wasserscheide in der Entwicklung Gastinis dar, der im Oktober dieses Jahres eine Einzelausstellung im Studio Carlo Grossetti in Mailand ausstattet, die den Titel Segni e (altri) spazi crägt. Als Endpunkt der vorangegangenen Arbeitsphasen und als Grundlage der folgenden verdichten sich hier vielfache Bedeutungen: die Definition und die Darstellung des Raumes der Malerei, der als das durch die Spannung zwischen verschiedenen Elementen erzeugte Feld verstanden wird; Übernahme und kritische Uberarbeitung der vorangegangenen Arbeiten; die Möglichkeit, externe, durch das Umfeld bedingte Faktoren in das Werk aufzuneh
men; die Fähigkeit, mit der Malerei, die in schnellen, freien und sicheren Pinselstrichen entsteht, einen Raum zu schaffen, »einen mir zugehörigen mentalen Raum«, präzisiert der Künstler in einem Text aus dem Jahre
1982, »zum Arbeiten«. Gastini legt die Ausstellung wie eine Strecke an, die die drei aufeinanderfolgenden Räume der Galerie miteinander verknüpft. Im ersten zeigt er eine kleine Zeichnung mit perspektivischer Skizze, die auf zwei übereinandergelegten Blättern gezeichnet ist und der er die Funktion eines Prologs zuschreibt (Gastini kommentiert die Arbeit in einem Text der von Tommaso Trini 1982 herausgegebenen Monographie). Senza titolo oder Disegno, come un paesaggio nimmt die längere Wand des folgenden Raumes ein. »Ich habe sechs Zeichnungen auf weiteren solchen Blättern angefertigt«, schreibt Gastini, »und diese zufällig, das heißt ohne Zuhilfenahme eines anderen Mittels, in der Mitte durchgerissen. Dann habe ich die Hälften eine über die andere bis an die Dekke geklebt, die rechte Hälfte des Blattes an die rechte Seite der Wand und die linke an die linke. Auf den freigebliebenen Teil der Wand, zwischen den verschiedenen Hälften der Zeichnungen, habe ich, mich so stark wie möglich konzentrierend, Risse gezeichnet, die das Bewußtsein sind, das Raumgefühl, die Geschichte, die >Landschaft< des Raumes. Eine Art von Annäherung/Abstoßung/Spannung zwischen den Materialien und den Zeichen (...)«. Im zweiten Raum gibt es drei Arbeiten, die auf drei verschiedenen Wänden ausgeführt sind. Senza titolo auf der linken Seite
besteht aus sechs mit Perlweiß und Kohlestift bemalten Blättern, die so an die Wand geklebt sind, daß sie mit dieser eine einzige Oberfläche bilden, über die längliche Gußstücke aus Blei und Antimonlegierungen verteilt sind, die linearen Zeichen ähneln. Senza titolo auf der mittleren Wand ist ein aus Fragmenten von mit Zeichnungen versehenen Blättern zusammengesetztes Werk: Zwischen den an den beiden äußeren Rändern der Wand angeklebten Fragmenten entfaltet sich eine nebulöse perlweiße Malerei und vetläuft ein Zeichen, das zum Teil mic Kohlestift gezogen, zum anderen Teil in Blei und Antimon ausgeführt wurde. In Pittura wird der bemalte Raum von einer horizontalen Linie aus Blei und Antimon durchquert und mittels einer teilweise bemalten, L-förmigen Eisenstange mit dem Boden verbunden.
1978 erscheint Pantomima, ein von Gastini in Zusammenarbeit mit Franco Mello und Giorgio Persano in einer Aullage von 50 Exemplaren hergestelltes Buch, in dem einige dem Buch La Norma von Ugo Leonzio (Einaudi, Turin 1972) entnommene Texte mit Pigmenten gelöscht und in malerische Abschnitte transformiert werden.
Im März 1979 wird die Marks andlon Spaces betitelte Einzelausstellung in der Galerie John Weber in New York eröffnet (Texte des Künstlers vervielfältigt). In den beiden großen Wandarbeiten, Pittura 11 und Paesaggio 11 nimmt Gascini die Parallele zwischen Malerei und Landschaft wieder auf, die letztere verstanden "als Anblick eines Ortes, den man mit dem Blick
umfaßt.« Auf das Thema Landschaft konzentriert sich auch das Texte und Originalwerke des Künstlers enthaltende Buch mit dem Titel 21:29,7 = 71:100 = 435:640 = paesaggio - dies sind Maße, die den verschiedenen Trägern, die Gastini für seine Arbeiten nutzt, entsprechen: extrastarkes Papier, Fabriano-Papier, WandHäche.
Im Juni 1979 nimmt der Künstler an der Ausstellung Pittura/ambiente teil, die im Palazzo Reale in Mailand von Francesca Alinovi und Renato Barilli betreut wird (Katalog mit Texten der Kuratoren). Gastini wählt eine an ein Fenster grenzende Wand, um Ereignisse von außen in sein Werk zu integrieren. Entra ist der Titel der Arbeit, die die gleichen Maße wie das Fenster hat und quer an die Wand geklebt isc. Eine Gruppe von L-förmigen Eisen begrenzt zum Teil den unceren Rand, während Bildreste und Objekte sich nach oben hin ausbreiten: bemaltes Papier, Kohlestift auf kartoniertem Gips, Gußstücke aus Bleí und Antimon.
Die Einzelausstellung im November 1979 in der Galerie Ginevra Grigolo in Bologna (Manuskript von Marco Gastini und Text von Pier Giovanni Castagnoli, veröffentlicht in den Mitteilungen der Galerie G7 Studio Jahrgang IV Nr. 9, November 1979) bezeichnet den Beginn der Auf nahme von Gegenständen der Außenwirklichkeit ins Werk Gastinis. In diesem Fall handelt es sich um ein Stück aus der Natur, einen Baumstumpf, der nahe der Wurzel abgeschnitten wurde. "Furchtsam habe ich ihn ins Atelier getragen", schreibt der Künstler, hhabe ihn umsorgt, be
rachtet, gestreichelt. Sich verlieben. Und arbeitend arbeiten und dabei leiden.« Der Wurzelstumpf liegt auf dem Boden und ist auf eine an der Wand gespannte Leinwand gerichtet, auf der sich eín Nebel malerischer Fragmente verdichtet. 11/24 senza titolo heißt die Arbeit, die letzte, die nach tautologischen Kriterien benannt ist (Datum der Anfettigung oder Zahl der verwendeten Elemente) oder auf die ursprünglich konzeptualistische Weise als Senza titolo bezeichnet wird. Von jetzt an wird es regelmäßig geschehen, daß sich der Titel eines Werkes einem ihm vorangegangenen Text des Künstlers verdankt. Dies ist der Fall bei Come un respiro che preme nei polmoni (Wie ein Atemzug, der in den Lungen schmerzt), der von Annemarie Verna i98o in Zürich ausgestellten Arbeit - auch diese ist um einen Baumstumpf und eine Wurzel herum errichtet. Der Titel nimmt die Schlußfolgerung des Textes auf, den Gastini für 11/24 senza titolo schrieb: "(...) Wie eine Energie, die sich befreit und gefangen wird, hat ihn die Arbeit gleichzeitig durchdrungen, angezogen von tausend Dingen, und seine vitale Spannung, die sich aufbläht und versucht auszutreten, ist in andere Gravitationsfelder eingedrungen. Wie ein Atemzug, der in den Lungen schmerzt."
In der gleichen Periode nimmt Gastini einen anderen natürlichen Gegenstand in seine Arbeiten auF Pergament, getrocknete Tierhäute, die er aufweicht und modelliert. Sie erscheinen erst
mals in den Werken In l angolo, ausgestellt in der Einzelausstellung im Mai 1980 im Centre d'Art Contemporain in Genf, in Angolo 11, ausgestellt in der Einzelausstellung bei Walter Storms in Villingen, und in LAIa della pittura. Die letztere Arbeit wird erstmals im Mai
1982 auf einer 18 Meter langen und 5 Meter hohen, eigens zu diesem Zweck gegenüber einem Fresko im Karmeliterkloster zu Frankfurt errichteten Wand installiert (Einzelausstellung in der Galerie Apel und Fertsch und Refektorium des Karmeliter-Klosters, Frankfurt, Texte von Pier Giovanni Castagnoli, Peter Weiermair und Marco Gascini). Im gemeinsam mit den Plänen zur Installation im Katalog veröffentlichten Text bemerkt der Künstler: "Die Arbeit wird vom Fresko gerahmt." Dieser Hinweis bestätigt die Möglichkeit, das Feld der Malerei von den autographischen Zeichen auf die bereits zuvor existierenden Elemente auszudehnen. Die Wahl impliziert die Idee der Kontinuität und die Praxis der Schichtung, Konzepte, die den gesamten Arbeitsprozeß Gastinis charakterisieren: Jedes neue Element, dessen Erscheinen dokumentiert wird, fügt sich der Summe der zuvor eingeführten hinzu, und die Aneinanderreihung der Titel suggeriert das beständige Fließen der Vorstellungskraft. Le tensioni esistono, vengono generate e si rigenerano in pittura ist ein Ausschnitt des Textes aus Frankfurt und der Titel einer erstmals im Februar 1982 in Bologna bei Ginèvra
Grigolo ausgestellten Arbeit. Hier ist man Zeuge der endgültigen Aufnahme einer Farbe, dem intensiven Kobaltblau, das bereits am Rande von Blu oltremare aufgetaucht war, einer in der Ausscellung im Salone Villa Romana in Florenz 1981 gezeigten Arbeit.
Die Ausstellung in der Galleria d'Arte Moderna in Bologna, die iri die von Franco Solmi konzipierte Schau Fsercizi di Lettura (Leseübungen) integriert wurde (Katalog mit Texten von Paolo Fossati und Flaminio Gualdoni), die erste Gastini gewidmete Werkschau, die in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München gezeigt wurde und die den Titel LAIa della pittura lFlügel der Malerei trug (Kurator Helmut Friedel, Katalog mic Texten des Kurators und des Künstlers) und die Beteiligung am Italienischen Pavillon der XL Biennale Internationaler Kunst in Venedig (unter der Leitung von Luciano Caramel) gehen auf das Jahr 1982 zurück. Darüber hinaus erscheint in diesem Jahr die Monographie Lörganismo pittura mit einem Text von Tommaso Trini, herausgegeben von der Galerie Martano in Turin. Im Februar 1983 erscheint zwischen den in der Galerie
L'Isola in Rom (Katalog mit Text von Jürgen Schilling) ausgestellten Arbeiten Paravento, ein von zwei Seicen bearbeitetes dreidimensionales Werk, bescehend aus drei Flügeln, deren Bemalung sich aus Pigmenten, Johannisbrot, Kohle, metallenen Körpern, Bruchstücken bemalter Glasscheiben zusammensetzt
alles Elemence, die in den letzten Jahren nach und nach ins Werk eingeführt worden waren. Im März 1983 wird eine Werkschau in der Galleria Civica del Comune di Modena eröffnec (Kurator Flaminio Gualdoni, Katalog míc Texten des Kurators). Im November desselben Jahres zeigt Gastini in der Einzelausstellung in der Galerie D + C Mueller/Roth in Stuctgart die Arbeit Da le storie di Mombresto, die im Jahr darauf auch in der Galerie Susanna Kulli in Sankt Gallen zu sehen ist. Hier tauchen erstmals die Ciarlate auF Holzbalken, die für die Dachstühle der Häuser in den Bergen verwendet werden. Sie werden noch grün eingesetzt, damit sie sich den Steinen, welche sie stützen sollen, anpassen. HDie Arbeit«, schreibt der
Künstler, »entstand in dem Moment, in dem ich bescimmte Dinge in einem Bergdorf gesehen habe, in dem ich Anzeichen einer Spannung aufgenommen habe, einer Zeit, die sich von der durch die Erbauer eines Hauses angefertigten Arbeit in einer lange zurückliegenden Zeit bis zu der Gemütsbewegung erstreckt, die in Gang gesetzt wird, wenn man diese wahrnehmbare Realität heute wieder
verwendet.« Aber die Aufnahme künstlicher Fundstücke wie auch die Verwendung von natürlichen Gegenständen wird bei Gastini immer vor allem vom Interesse am Formalen diktiert und weder, wie der Künstler selbst in einem Interview im Jahre 1984 ausführt, vom Interesse an der Art ihrer früheren Verwendung noch am symbolischen oder
alchemistischen Ballast, deren Träger sie sein können.
Im März 1984 wird die umfangreiche Einzelausstellung im Pavillon Moderner Kunst in Mailand eröffnet (Katalog mit Texten von Paolo Fossati und einer Uncerhalcung zwischen Paolo Fossaci und Flaminio Gualdoni) und im Oktober desselben Jahres zeigt er im Studio Carlo Grossetti in Mailand unter anderem die letzten Arbeiten Da gli scuri cacciati und Respiro delllmmersione. Der Untergrund beider Werke besteht aus Holztafeln, auf denen sich eine dichte Malerei aus Farbpigmenten, Ciarlaten, Glas, Eisen, Kohle und Johannisbrot ausbreitet.
Malerei, Blei und Ciarlate auf Holz erscheinen auch in La luce si spoglia della sua veste, einer Arbeic von 1985, die im folgenden Jahr in der Einzelausstellung in der Galerie Krista Mikkola in Helsinki ausgestellt wird (Katalog mit Texten von Flaminio Gualdoni und vom Künstler). Ig85 hält Gastini auch eine Ausscellung in der Galerie Martano in Turin, wo er zwischen den jüngeren Werken auch È tutto e sempre ora zeigt (Katalog mit einem Text von Marco Gastini).
Im selben Jahr stellt er in der Galerie Nordenhake in Malmö Pantomima (1985) aus, eine Wandarbeit mic drei durch Scharniere beweglich miteinander verbundenen Flügeln.
Im April 1986 präsentierc Gastini im Kunstnernes Hus in Oslo (Katalog mit Texten von Pier Giovanni Castagnoli und vom
Künstler) Nella finestra ... Léntrare forse, ein Gemälde auf hölzernem
Untergrund, in das ein Fenstetrahmen integriert ist, dessen Feldersprossen, die mit auf klappbaren Flügeln versehen
sind, die räumliche Komplexität des Werkes erhöhen.
Andere Arbeiten dieser Periode zeigen bewegliche Strukturen, wie Retablo, das in dér Einzelausstellung bei John Weber in New York im Oktober 1986 gezeigt wird und Il grande libro di Colmar, das in der Einzelausstellung im Studio Carlo Grossetti in Mailand im März 1987 und
1989 in der Einzelausstellung in der Galerie Hans Barlach in Hamburg vorgestellt
wird.
Im September 1987 wird eine Ausstellung in der Galerie Rossanaferri in Modena eröffnet
(Katalog mit Texten von Mario Bertoni). Im September desselben Jahres richtet Gastini eine Einzelausstellung in Castel Burio in Burio di Coscigliole d'Asti ein
(Katalog mitTexten von Mario Bertoni, Nico Orengo, Marco Gastini). In das Innere der Befestigungsanlage stellt er Burio und La nave vichinga solca i filari, das letztere eine monumentale
Arbeit, bei der er Eisenbahnschwellen verwendet.
Im Mai 1988 zeigt er in der Galerie Oddi Baglioni in Rom Un sogno ancora, wo er zum ersten Mal einen halbdurchsichtigen Untergrund aus wabenförmigem Plexiglas
verwendec.
1988 errichtet er Il sogno respira nell äìre für die Piazza Pecori in San
Gimignano.
1889 wird ein neues Material in das Lexikon seiner malerischen Ausdrucksmittel
aufgenommen: Lose, grau-grüne schichtförmige Steine, die man im Bergtal Mombresto zum Decken der Hausdächer
verwendet. In der Einzelausstellung in der Galerie Martano in Turin 1989 mit dem Ticel L'è tut lì ant èl ce
(Katalog mit Texten von Fabrizio d'Amico und Marco Gastini) erscheinen die Lose in jedem der ausgestellten
Werke: In I segni delle lose esaltdno nel vento, einer großen geneigten, mit Lose ausgestatteten Wand mit Malerei auf
Stein, metallischen Elemencen, Glas und Ciarlate; in der auf dem Boden liegenden Arbeit Lo specchio del cielo und in der totemischen Struktur von La betulla della
Maleggia. Auch Il cielo di Cagli hat eine totemische Struktur. Es handelt sich um eine
Arbeit, die in Torre Martignana di Cagli anläßlich der von Eliseo Mattiacci konzipierten und von Fabrizio d'Amico und Flaminio Gualdoni betreuten Ausstellung Pensieri Spaziali installiert wurde und an der Luigi Ballerini
teilnahm. Der beständige Kontakt zu jungen Künstlern, der die
Biographie Gastinis charakterisiert und der, etwas allgemeiner, auch einen bestimmten Teil der künstlerischen Gesellschaft Turins kennzeichnet, wird durch zwei Ausstellungen dokumentiert, die im ehemaligen Zoo von Turin ausgerichtet wurden und den Titel Hic sunt leones trugen (1990 und 1991, die erste mit Beatrice Merz und Willi Beck als Kuratoren und einem Katalog mit Texten der Kuratoren, die zweite unter dem Kuratorium von Beatrice Merz). In der ersten Auflage besetzt Gastini das Giraffengehege mit Il sogno respira nell äìre, in der zweiten stellt er Sui muschi di Pracastel (1990) aus.
Stones are signs ist der Titel einer Einzelausstellung bei John Weber in New York im Oktober
1990. Hier wird unter anderem Nei segni delle lose, gli spazi si
evidenziano (1989) vorgestellt, die erste Arbeit, in der Gastini als Untergrund eine Lastwagenplane einsetzt, die von Zeit und Gebrauch gezeichnet ist.
1992 ist das Jahr der Einzelausscellung in der Villa delle Rose in Bologna (Katalog mit einem Text von Pier Giovanni Castagnoli, einem Gespräch zwischen Mario Bertoni und Marco Gastini und einer ausführlichen Biographie, verfaßt von Elisabetta Longari). Im Jahr 1993 fanden die beiden letzten Werkschauen statt, die eine auf Initiative der Galleria Civica d'Arte Contemporanea inTrento (Katalog mitTexten von Danilo Eccher und Francesco Poli, für den Lisa Parola eine detaillierte Biographie erarbeitet hat) und die andere im Kunstverein Steinernes Haus am Römerberg in Frankfurt, die danach vom Kunstverein St. Gallen übernommen wurde (Katalog mit einem Text von Peter Weiermair und einem Gespräch zwischen Mario Bertoni und Marco Gastini).
Im Mai 1994 wird eine Einzelausstellung in der Galerie Martano in Turin eröffnet. Gleichzeitig werden unter dem Titel Una più il diavolo ein Buch mit Gedichten von Luigi Ballerini und Radierungen von Marco Gastini (Verlag Marco Noire, Turin) und eine Installation des Künstlers im Fondo Rivetti per L'Arte Contemporanea in Turin mit dem Titel Tra gli echi ... entrare präsentiert. Diese Arbeit eröffnet einen neuen Werkzyklus, in dem die Zeichen durch an der Leinwand befestigte Bänder und Armierungseisen objektiviert werden oder durch sich vom Boden erhebende autonome Strukturen, die dennoch mit der zweidimensionalen Bildfläche dialogisieren. Der Künstler nimmt das Wort »Echo« in die Werktitel auf, um auf einen Resonanzraum zwischen den verschiedenen Elementen eines Werkes oder zwischen dem Betrachter und dem
Bild hinzuweisen. Tra gli echi ... entrare ist auch der Titel einer Gruppe von Arbeiten, die auf der XXII Biennale der Skulptur in Gubbio ausgestellt werden (betreut von Marisa Vescovo und Giorgio Bonomi, mit einem Text über Gastini von Marisa Vescovo). Among the Echos ist die im Oktober 1994 stattfindende Einzelausstellung bei John Weber in New York betitelt (Fotokopien eines Textes von Marco Gastini). Im folgenden Jahr stellt er in der Galerie La Città in Verona Si rigenerano nel blu di Galileo vor.
1995 verbringt Gastini vier Monate als Gast der Stadt München in der Villa Walberta in Feldafing. Im September stellt er bei Walter Storms in München aus und präsentiert gleichzeitig Im Widerhalle des Lichtes, eine für einen deutschen Auftragswettbewerb angefertigte Arbeit, in der er erstmals verschiedene farbige Lastwagenplanen verwendet.
1996 widmen zwei Zeitschriften Marco Gastini eine monographische Ausgabe: In Segno aus Pescara erscheint ein Text von Mario Bertoni und in ulmpresa per l ärte Contemporanea« aus Turin erscheinen Texte von Mario Bertoni, Pier Giovanni Castagnoli, Bruno Corà, Danílo Eccher, Paolo Fossati, Helmut Friedel, Annemarie Sauzeau und Peter Weiermair. Im selben Jahr stellt er in Paris eíne Einzelausstellung in der Galerie Krief vor und präsentiert die Arbeit Per un possibile ritratto di Mick jagger im dortigen Pièce Unique.
Tra gli echi della luce heißt die Ausstellung, die im Mai 1996 in der Galerie Maura Cocchi Arte Contemporanea in Modena eröffnet wird. Im Katalog werden ein Text von Helmut Friedel und ein Gespräch zwischen Donatella Biasin und Marco Gastini veröffentlicht, im Laufe dessen der Künstler auf seinen emphatischen Begríff von Malerei zu sprechen kommt: "Dies ist die Malerei, meine Malerei, die nicht einfach sein will, die nicht katalogisierbar sein darf (...), die aus dem Gleichgewicht bringen soll, die sich auch den Absichten des Künstlers entziehen muß. Das macht die Überraschung sowohl des Betrachters als auch des Künstlers aus. Und noch einmal, die Malerei darf niemals fertig sein, sie muß immer lebendig an der Oberfläche schwimmen: einzige Arbeit, einziger Ausdruck des Menschen, der ständig lebt, immer."
Im Sommer 1997 findet eine von Gastíni mit dem Titel Scommessa versehene Einzelausstellung statt, die auf verschiedene Orte in der Stadt Siena verteilt ist (betreut von Marina Romiti, Katalog mit Texten von Omar Calabrese und Bruno Corà und einem Gespräch zwischen Marina Romiti und
Marco Gastini). Im Saal des ehemaligen Hospitals Santa Maria della Scala wird Dalle Storie dello Spedale installiert. Die Arbeit nimmt eine große Wand ein, auf der der Künstler um ein Fragment eines antiken Freskos verschiedene Elemente seiner Malerei verteilt hat: bemalte Planen, Eisenzeichen, durchsichtige Oberflächen, Blei/ Antimonlegierungen. In der selben Umgebung herrscht auch der Torre, eine sechs Meter hohe Konstruktion, ein wahrer Turm an Malerei, während in der angrenzenden ehemaligen Capella del Manto Levitando tra gli echi dei segni ausgestellt ist: Weiße, mit Intarsien versehene Marmorplatten, wie ein schwebender Fußboden, die auf einem vom Boden abgehobenen Metallgrill auf liegen. Die Ausstellung setzt sich an weiteren historischen Orten fort, und zwar mit Werken, die ebenfalls darauf angelegt sind, mit der Kunst und dem historischen Gedächtnis der Stadt in Dialog zu treten: Sui muschi di Pracastol schwimmt auf der Fontebranda aus dem zwölften Jahrhundert, Il respiro del cielo erhebt sich in der gotischen Loggia des Palazzo Pubblico und der Fries
Panatenaiche läuft um den Portikus des Convitto Tolomei.
Was die Gruppenausstellungen betrifft, an denen Gastini 1997 teilnimmt, so erinnern wir an Arte Italiana, Materiali anonimi in der Galerie d'Arte Moderna in Bologna (Kurator Danilo Eccher), Artmonte in Castel Ivano in Trento (Kurator Pier Giovanni Castagnoli), Opere del Centro per la scultura contemporanea im Zentrum für Zeitgenössische Skulptur Torre Martiniana in Cagli (Kurator Fabrizio D'Amico) und die von Bruno Corà für das Zentrum für Zeitgenössische Kunst Luigi Pecci in Prato betreute Ausstellung / Konferenz Au rendez vous des identità ed opera. Gemeinsam mit Paolo Icaro, Eliseo
Mattiacci, Idetoshi Nagasawa und Giuseppe Spagnulo plant Gastini die Ausstellung Un nucleo di artúti, die in der Casetta Vaccai in Pesaro von Dezember 1997 bis Februar 1998 durchgeführt wird und sich einem Gefühl der geistigen Verbundenheit verdankt, wie der Künstler erklärt, »zum Austausch von Energien«.
Daniela Lancioni
Marco Gastini
der Atem. die Luft das Licht
Orangerie im Schloßpark Belvedere - Weimar 1998